Zwischen Willkommenskultur und Populismus – zur Lage der Flüchtlingsintegration im Alpen-Adria-Raum

Am Samstag, den 30. 4. 2016, luden der Club Tre Popoli und der Verein Europahaus zu einer Podiumsdiskussion eines ebenso aktuellen wie brisanten Themas: Die Flüchtlingsintegration im Alpen-Adria-Raum. Gesucht wurden „Wege zu einem Win-Win –Ergebnis“ aus Sicht Kärntens, Sloweniens und Italiens.

In seiner Einleitung betonte Artur Roßbacher, Gründungsobmann des Club Tre Popoli und Initiator der Veranstaltung, dass die Flüchtlingsfrage eine Frage Europas und ein Win-Win-Ergebnis schon aus Eigennutz anzustreben sei; allerdings gäbe es auf dem Weg dahin noch viele Probleme zu lösen.

Nadine Ruthardt, Leiterin der Koordinationsstelle Integrationsleitbild beim Amt der Kärntner Landesregierung, berichtete von der Entwicklung eines Leitbildes, das für alle Personen Gültigkeit haben soll, die nach Kärnten kommen, nicht nur für Flüchtlinge. Flächendeckende Deutschkurse, die Schaffung von Begegnungsräumen und die Einbindung aller Bevölkerungsgruppen in den Entscheidungsprozessen seien Grundvoraussetzungen für eine gelungene Integration.

Paolo Zenarolla, Vizedirektor der Caritas Udine, betonte zunächst, dass Integration in Italien nicht mit der Flüchtlingsfrage gleichgesetzt werden kann. Bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise hätte die Integration recht gut geklappt, doch nun sei die Eingliederung der Neuankömmlinge in den Arbeitsprozess schwierig. Die Folge sei eine tiefe Verunsicherung der ansässigen Bevölkerung, die noch durch die Medienberichte unterstützt wird – die Rede ist von einem „Notfall“. Daher sei es besonders wichtig den Dialog auf regionaler Ebene zu fördern und den Menschen die Angst vor den Fremden zu nehmen. Große Bedeutung habe der Umgang mit der Religion: die Immigranten sollen ihre Religion frei ausüben können, gleichzeitig muss man religiösem Fundamentalismus jeder Art entgegen wirken. Ausgaben für eine gute Ausbildung der jungen Immigranten seien eine wichtige und lohnende Investition in die Zukunft Europas.

Darko Bračun, Generalsekretär der Caritas Maribor, stellte fest, dass Slowenien ein Durchzugs- und kaum Zielland der Flüchtlinge ist. Slowenien habe nach dem Zerfall Jugoslawiens große Flüchtlingsmengen aufgenommen, was damals aufgrund eines starken Wirtschaftswachstums auch leichter möglich war. Heute zeigt sich eine gänzlich andere Situation: die Flüchtlinge sind aufgrund ihrer Herkunft, Sprache, Religion und Kultur viel schwerer integrierbar. Die Versorgung der Flüchtlinge während des großen Ansturms 2015 ist maßgeblich von NGO´ s aufrechterhalten worden, als innerhalb weniger Monate rund 500 000 Personen Slowenien durchquerten. Durch ihr starkes Engagement mit über 880 freiwilligen Helfern sei die Caritas in dieser Zeit noch mehr Teil der slowenischen Zivilgesellschaft geworden.

Für Josef Marketz, Direktor der Caritas Kärnten, sind Flucht und Vertreibung zentrale Probleme unserer Zeit. Die Ängste und Unsicherheiten der Bevölkerung angesichts der Massenzuwanderung seien verständlich, müssten aber durch Information und Dialog genommen werden. In Kärnten ortet Marketz aufgrund der vergleichsweise geringen Zahl an Asylwerbern keinen „Notstand“. Er betonte ebenfalls die Rolle der Zivilgesellschaft und die Bedeutung der Begegnung und persönlichen Betreuung von Asylwerbern durch die ansässige Bevölkerung. Deutschunterricht sei immens wichtig, wobei insbesondere die Kinder schnell die Sprache des Gastlandes lernen. Die größte Herausforderung sei die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt, da ihre Ausbildung häufig nicht dem Anforderungsprofil im Gastland entspricht. Um die Kulturunterschiede zu überbrücken und auch die Religion des jeweils anderen zu akzeptieren sei eine umfassende Aufklärung über den Islam bzw. die christliche Religion notwendig.

In der anschließenden offenen Diskussion wurde recht scharfe Kritik an der Politik geübt, mit dem Hinweis, dass viele Maßnahmen an der Basis nicht spürbar seien.

Darko Bračun wies auf die große Unentschlossenheit der slowenischen Bevölkerung in Europafragen hin und betonte, dass die Caritas jedem helfe, der vom Staat ins Land gelassen wird.

Laut Paolo Zenarolla hat der italienische Staat viel für die Rettung von Flüchtlingen getan, wenige jedoch für die Integration. Die Folge sein ein Erstarken von Populisten, die einfache Antworten geben. Es brauche den Einsatz der katholischen Kirche, von Vereinen und Menschen guten Willens, um die Barrieren im Kopf zu überwinden. Das Problem sein nicht der Brenner, sondern die Frage was wir tun können, um offene Grenzen zu erhalten. Er sieht Europa an einem historischen Wendepunkt und betonte – wie auch Darko Bračun – die Notwendigkeit, das Leben in den Herkunftsländern der Flüchtlinge nachhaltig zu verbessern.

Für Nadine Ruthardt gibt es angesichts der komplexen Problemlage keine einfachen und schnellen Lösungen. Ihr Wunsch ist es ebenfalls, dass Österreich, Europa und die Welt ihre Verantwortung solidarisch wahrnehmen.

Josef Marketz mahnte abschließend einen vorsichtigeren Umgang mit der Sprache ein und warnte vor einer zunehmenden Verrohung der Gesellschaft infolge einer immer restriktiveren Politik gegenüber den Zuwanderern – wer herzlos gegenüber Asylwerbern ist, wird dies auch bald gegenüber seinen Mitbürgern sein.

Autor: Dr. Mario Rausch