Bericht Wiener Zeitung

Abstract: Die Konfliktpotentiale in der EU bedürften einer von den politischen Funktionären und Mandataren losgelösten Konfliktbearbeitung. Interdisziplinäre Konfliktmanagement- Teams ohne politische und nationale Bindungen sollten unterstützend von den EU- Organen  und den Nationalstaaten herangezogen werden können. Die Grundsätze ihrer Arbeitsweise sollten den Methoden der Mediation entsprechen.

Die Konfliktpotentiale sind durch die an sich begrüßenswerte rasche Erweiterung der EU gewachsen. Militärstrategische und wirtschaftliche Gesichtspunkte waren der Motor für die Ausdehnung nach dem Osten. Die nationalen Bedürfnisse , Empfindungen und Sichtweisen blieben unbeachtet und wurde deren Tiefenwirkung unterschätzt.

Die Klärung  der Ursachen aufgetretener und neu entstehender Spannungsverhältnisse zwischen EU- Organen und Staaten, diesen untereinander und auch innerhalb der Staaten bildet keine Maxime auf politischer Ebene und auch nicht in den Medien. Den politischen Funktionären und Mandataren steht abgesehen davon die Zeit zur Aufarbeitung von Konflikten nicht zur Verfügung. Auch ihre nationalen Verankerungen sind der Lösung der Konflikte hinderlich. Überdies kommt im Bewusstsein der Bevölkerungen und deren politischen Repräsentanten den nationalen Interessen der Vorrang vor dem Gemeinwohl der Staatengemeinschaft zu.

Die Wurzeln von Konflikten reichen in der Regel in die Vergangenheit, sie potenzieren sich kontinuierlich und können nur mit Sachverstand  und großem Zeiteinsatz gelöst werden. Schnellschüsse und politische Druckmittel sind nicht geeignet, nachhaltige Endspannungen zu bringen.

Das oft gelobte Friedensprojekt Europäische Union darf nicht nur das Unterbleiben kriegerischer Handlungen bedeuten, sondern muss den Anspruch erheben auf Bereinigung von bestehenden und neu auftretenden nationalen, ökonomischen und sozialen Gegensätzen unter Beachtung der allseitigen Interessenlagen. Staatsinterne Auseinandersetzungen wirken sich zumindest mittelbar auf die Staatengemeinschaft aus und können daher von Einflussnahmen durch Gemeinschaftsorgane nicht ausgenommen werden. Die derzeitigen separatistischen Bewegungen in Europa veranschaulichen deutlich, dass die innerstaatlichen Organe den Problemen und deren Lösung nicht gewachsen sind  und der Hilfe der Staatengemeinschaft bedürfen.

Die derzeitige juristische Struktur der EU ist für Konfliktlösungen nicht geeignet. Es stellt sich daher die Frage auf diesbezügliche Veränderungen, die naturgemäß einen jahrelangen Diskussionsprozess erfordern. Aus diesem Grunde wird im Folgenden ein Vorschlag unterbreitet, in der EU einen Mechanismus  für Konfliktlösungen zu implementieren, der ohne Vertragsänderung schnell umsetzbar ist:

Aus einem Pool europäischer Fachleute aller Staaten und aus allen geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen, welchen weder in den Heimatländern noch in EU- Gremien politische Funktionen zukommen, sollten Konfliktmanagement- Teams von 3 bis 5 Mitgliedern gebildet werden, die im Einzelfall zur Klärung und Bearbeitung von Problemfeldern sowohl von  den Organen der EU und als auch den Staaten herangezogen werden können. Die Herausarbeitung der unterschiedlichen Sichtweisen und der tieferen Ursachen gegensätzlicher Standpunkte sowie die Moderation des Meinungsaustausches wäre ihre Aufgabe. Ihre Beauftragung und die Teilnahme am Verfahren sollte freiwillig zu erfolgen, ihr moralisches und fachliches Gewicht soll Anreiz für ihre Beiziehung bilden und   konfliktberuhigend wirken. Eine schiedsrichterliche Funktion , somit eine Entscheidungsbefugnis soll ihnen nicht zustehen. Ihre Konfliktbearbeitung soll bei den Beteiligten zu einem Paradigmenwechsel führen und diesen selbst die Konfliktlösung ermöglichen. Vorschläge für die Bestellung, Organisation, Finanzierung und Arbeitsweise dieser Teams würden den Rahmen dieser Abhandlung sprengen.

Vor  Anrufung eines Entscheidungsorganes, wie z. B. des EuGH sollte obligatorisch ein Verfahren vor einem Konfliktmanagement- Team einzuleiten sein, erst nach Scheitern eines solchen Verfahrens  innerhalb eines gewissen Zeitraumes, z. B. 3 Monaten, sollte das Entscheidungsorgan tätig werden können. Diese Frist sollte auch gelten, wenn ein 0der beide Streitteile sich nicht auf ein Verfahren durch ein Konfliktmanagement- Team einlassen. Eine solche Vorgangsweise bremst den Konflikt, versachlicht ihn und delegiert die Entscheidung nicht von vorneherein auf ein Organ, dessen Entscheidung allenfalls keinen der Beteiligten zufriedenstellt und einen Verlierer zurücklässt- analog Gerichtsverfahren in privatrechtlichen Streitigkeiten. Das Unterliegen eines Staates in einer seiner politischen Leitlinie widersprechenden Frage verschärft  den Konflikt und führt  zu unkalkulierbaren Folgen innerhalb dieses Staates und in den gemeinschaftsstaatlichen Beziehungen.

Der Rückgang der Anzahl  zivilgerichtlicher Verfahren zufolge außergerichtlicher Streitlösungsverfahren  sollte ein Indiz dafür sein, dass auch auf politischer Ebene neue Wege für Konfliktlösungen innerhalb der Staaten und der Staatengemeinschaft zu beschreiten sein werden.

Mit den Konfliktmanagement- Teams könnte die EU auch auf außereuropäische Spannungsverhältnisse Einfluss nehmen und solcherart friedensgestaltend wirken. Ein „Made in Europe“- Gütesiegel.