Ein Beitrag von Prof. Valentino Klepetulja

Die letzte Veranstaltungsreihe des Club tre popoli zur Verbesserung des Fremdsprachenerwerbs in Kärnten hat mich positiv überrascht. Die Vorschläge halte ich für effektiv und realistisch und müssten nur noch von den Medien und der Politik aufgenommen und umgesetzt werden.

In meinem Bericht vom Februar 2018 „Wieder Neuigkeiten aus der Mongolei- Sprachenkunterbunt“ habe ich die grundlegenden Neuerungen des Sprachenunterrichts in der Mongolei skizziert. Es ist mir natürlich bewusst, dass in Europa, welches sich in vielen Belangen als der übrigen Welt überlegen wähnt, Veränderungen im Unterrichtssystem nur sehr langsam und allmählich vollziehen. Dessen ungeachtet stelle ich auf der Basis des mongolischen Sprachenunterrichts die folgenden Vorschläge zur Diskussion:

  1. Verlängerung der Volksschule um ein Jahr auf fünf Jahre, um überhaupt zeitlich in die Lage versetzt zu werden, den Sprachenunterricht auszuweiten. Intensivierung des Fremdsprachenunterrichts in den ersten Schuljahren, verstärkte Beschäftigung von native speakern.
  2. Trennung des Sprachenunterrichts von den übrigen Lehrgegenständen, sodass Fremdsprachenklassen und Unterrichtsklassen mit den übrigen Lehrgegenständen entstehen. Der Fremdsprachenunterricht wird in allen Schulstufen – von der ersten Klasse Volksschule bis zur höchsten Klasse in den allgemein- und berufsbildenden Schulen- auf einen fixen Tag in der Woche, z. B. Montag konzentriert. An diesem Schultag werden nur die obligatorischen und die freiwillig gewählten Sprachen in den Fremdsprachenklassen unterrichtet. Von Dienstag bis Freitag wird der übrige Lehrstoff unterrichtet.
  3. Der Fremdsprachenerwerb wird nicht benotet. Nach jedem Semesterende wird jedem Schüler nur das erreichte Sprachniveau, welches durch Unterteilung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen in beispielsweise  A 1 a, b und c  bis C 2 a, b und  c ausgedrückt wird,  bestätigt. Jedes dieser Teil- Niveaus soll in einem Semester erreicht werden. Mangels des Erreichens eines der Teil- Niveaus müssen die entsprechenden Fremdsprachenstunden wiederholt werden. Hierdurch werden zwar die Fremdsprachenklassen zersplittert und mit Schülern verschiedenen Alters gebildet, und werden kleinere Schulen erforderlichenfalls in Schulverbänden zusammengefasst werden müssen. Die Klassengemeinschaft bleibt jedoch durch den unveränderten Unterricht der übrigen Gegenstände erhalten. Die administrativen Abläufe sind mit Hilfe zu entwickelnder EDV- Programme bewältigbar.
  4. In den Schulen der slowenischen Volksgruppe sind Slowenisch und Deutsch Unterrichtssprachen und kommt Fremdsprachen bereits ein hoher Stellenwert zu. Deren Unterrichtssysteme bleiben von den vorstehenden Vorschlägen ausgenommen. Lediglich Italienisch- Unterricht bis zum Niveau A 2 c sollte auch dort obligatorisch eingeführt werden.
  5. Analog den neuen Erkenntnissen, wie sie auch vom Club tre popoli vertreten werden, soll Englisch erst ab der 4. Schulstufe unterrichtet werden, zuvor Nachbarsprachen, somit in Kärnten Italienisch und Slowenisch. Die Auswahl für eine dieser beiden Sprachen ab dem ersten Schuljahr soll den Eltern obliegen, die zweite Nachbarsprache soll jedoch ab der 3. Schulstufe gleichfalls obligatorisch bis zum Sprachniveau A 2 c unterrichtet werden. Nach Erreichung dieses Niveaus der zweiten Nachbarsprache kann deren Unterricht weiter fakultativ besucht werden. Mit Beginn des Englischunterrichts müssen naturgemäß die Italienisch- und Slowenisch- Unterrichtsstunden verringert werden, diese sind jedoch für die erstgewählte Nachbarsprache bis zum Ende der Schulausbildung fortzuführen.
  6. Auf die didaktischen Maßnahmen zur Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts, den IT- Lern- und Kommunikationsmöglichkeiten, den Sprachenaustausch mit den Nachbarländern etc. erübrigt es sich, näher einzugehen. Die innovativen Unterrichtsmöglichkeiten sind für die Lehrerschaft Allgemeingut. Bedauerlicherweise scheitern die engagierten Sprachlehrer an der Unbeweglichkeit der Politik und Verwaltung, den knappen Geldmitteln, die für wichtiger gehaltene Bildungsmaßnahmen benötigt werden u. s. w.
  7. Mit den Schulabschlüssen kann die Sprachenausbildung naturgemäß nicht beendet sein. Danach gilt es, die erworbenen Kenntnisse sinnbringend einzusetzen und den beruflichen Erfordernissen anzupassen. Mit dem Fortschreiten der europäischen Integration entwickeln sich von selbst erweiterte  Möglichkeiten für berufliche und private Begegnungen. Diejenigen Regionen, welche rasch die bildungsmäßigen Grundlagen hierfür schaffen, werden die Gewinner in der Zukunft sein. Dies gilt nicht nur für das  ökonomische Wachstum, sondern in gleichem Maße für das überregionale und internationale Zusammenleben.